Zusammen sind sie weniger allein – Unternehmen und ihre Partner in Armutsmärkten

Nicht nur im Film - Zusammen ist man weniger allein.

Nicht nur im Film - Zusammen ist man weniger allein.

Armutsmärkte stellen Unternehmen vor grosse Herausforderungen – und überfordern sie? Weil Alleingänge schwierig sind, suchen sich Unternehmen oft Partner – was dies bringt, und wie das konkret gehen soll, wurde auf dem letzten Theorie- und Praxisdialog an der Leucorea in Wittenberg diskutiert. Hier der Workshop-Report!

Autor: Martin Herrndorf

Der Mahner mit den Erfolgsbeispielen

Zuerst stellte Christian Seelos von der IESE Business School in Barcelona anhand von konkrete Beispielen Erfolgsmodelle für die Kooperation im BoP-Sektor vor. Wichtig für den Erfolg von BRACH war die Segmentierung von BoP-Haushalten in Kategorien von „Ultra Poor“ bis „Vulnerable Non-Poor II“ und die Abstimmung der Aktivitäten auf die jeweilige Situation der Zielgruppe. Ganz „unten“ können Unternehmen selbst laut Christian Seelos kein Geld verdienen – die Aufbauarbeit ist schwierig, langfristig und unprofitabel.
Als Beleg für seine Thesen dienten drei Modelle für soziale Innovation am BoP. BRAC, als lokal verwurzelte NGO aus Bangladesh, hat es aber geschafft durch die Veränderung von Normen und lokalen Kapazitäten einen „fruchtbaren Boden“ für neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Als zweites Beispiel dienten Aravind und Audiolab, die mit einem gut strukturierten Modell Augenoperationen anbieten. Bei Aravind wird die Hälfte der Kunden umsonst behandelt, aufgrund von Quersubventionierung ist das Unternehmen trotzdem profitable. Und Audiolab, ein Aravind verbundener Produzent von Augenlinsen, hat es mit radikalen Preissenkungen geschafft, den Weltmarkt zu revolutionieren. Als Partnerschaftsmodell stellt er seine Analyse der Partnerschaft von Grameen und Telenor vor. Telenor, der norwegische Telefonmulti, hat nicht direkt mit den Armen zusammengearbeitet, sondern sich auf die urbanen Märkte konzentriert und der Mikrofinanzorganisation Grameen geholfen, ihrerseits den Armen einen Zugang zu Mobilfunk zu ermöglichen. Solche Kooperationen sind laut Seelos vielversprechender als der Versuch, als Unternehmen direkt mit den Armen ins Geschäft zu kommen.

Zwei die sich gut verstehen – Allianz & CARE

Als zweites stellten Michael Anthony von der Allianz und Thomas Schwarz von CARE gemeinsam ihre Kooperation für die Entwicklung und den Vertrieb von Mikroversicherungen in Indien vor. Die anfängliche Skepsis CAREs bezüglich einer Zusammenarbeit mit einem profitorientierten Grossunternehmen konnte überwunden werden – sowohl durch den „persönlichen Faktor“, als auch durch Klarheit und Transparenz in den Zielen. Die Allianztochter in Indien macht zwar Dreiviertel ihres Umsatzes in ländlichen Gebieten, ihr fehlte aber der Zugang zu den armen Bevölkerungsschichten. Deshalb hat Allianz die Kooperation mit CARE gesucht – nicht aus Imagegründen, sondern um die Hürden für das Versicherungsgeschäft im armen ländlichen Indien zu überwinden.

Der erste Schritt war die gemeinsame Produktentwicklung – mit Fokusgruppen und eine ausführlichen Bedarfsanalyse hat man ein Produkt gezielt für arme Kunden und ihre Bedürfnisse entwickelt, das eine Reihe von Risiken abdeckt. Nach anfänglicher Skepsis auf Seiten der Allianz bezüglich der Komplexität des Produktes wird dieses mittlerweile gut angenommen.

Der Vertrieb und die Schadensregulierung basiert auf einem komplexen Partnermodell. Hierbei arbeiten die Allianz und CARE mit 15 lokalen Nichtregierungsorganisationen zusammen, die wiederum den Kontakt zu lokalen Selbsthilfegruppen und ihren Koordinierungsgremien herstellen. Neben dem Vertrieb arbeiten die lokalen Partner vor allem die Aufklärung der Kunden durch „launch parties“ und bildliche Medien wie Puppentheater und Mikroversicherungslieder. Auch die Schadensmeldung und Regulierung wird von den lokalen Partnern, mit Abzeichnung durch die Allianz, vorgenommen.

Die offene Diskussions – Was bringts, und wann darf man es machen?

In der Diskussionen ging es sowohl um die Effektivität als auch um die Legitmation von Partnerschaften von Unternehmen mit staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit. Thomas Schwarz, CARE, kritisierte Unternehmenskooperation mit der GTZ als nur begrenzt legitim, weil hier eine mit politischen Mandaten und Steuergeldern ausgestattete Organisation sich für die Förderung von Markteintritten privater Unternehmen einsetzt. Im Kontrast hierzu wurde von anderen Teilnehmern die Komplementarität der Vorhaben betont: So wird nur die eigene Arbeit der GTZ, und nicht die des Unternehmens, vom BMZ finanziert. Ausserdem übernimmt die GTZ Aufgaben der Evaluierung die für das Unternehmen aus Geschäftssicht nicht relevant sind. Auch sind grade grosse Unternehmen wie die Allianz zwar gut in der Skalierung, aber nicht immer sehr kreativ in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Und Jona Naguib wies darauf hin, das auch im nicht-BoP-Geschäft zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsausgaben durch den Staat gefördert werden.

Hierbei betone Andreas Bluethner von der BASF die Bedeutung innovativer Finanzierungsmodelle – zum Beispiel die erfolgsabhängige Finanzierung der Gates Foundation für von Unternehmen vernachlässigte Krankheiten wie zum Beispiel die Schlafkrankheit.

Auch die Frage der Partnerfindung und des Aufbaus von Vertrauen wurde diskutiert. Die fehlende Transparenz in Armutsmärkten erschwert die Auswahl lokaler Partner, und auch traditionelle Mittler wie lokale Industrie- und Handelskammern sind nicht immer vertrauenswürdig. Auch im Ländervergleich zeigen sich hier deutlichen Differenzen.

Bei allen Schwierigkeiten in Armutsmärkten wies Christian Seelos am Ende darauf hin, das die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen die Erfolgschancen deutliche erhöhen kann – für den grössten „social impact“ im lokalen Markt.

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