Zwischen urbanen Pionieren und der Hyper-Gentrifizierung – Willkommen in Jozi

Ich bin in Johannesburg angekommen – für einen weiteren Forschungsaufenthalt zum meinen mir immer lieber werdenden Mikroversicherungen. Gleichzeitig hat mich der Zufall mitten in einem Riese-Experiment landen lassen – dem Umbau des „Central Business Districts“ von Johannesburg. Vor Jahren noch eine No-Go-Area wird er von urbanen Pionieren erobert – oder von einer post-modernen Schickeria überfallen? Hier ein paar Eindrücke aus meinen ersten Tagen vor Ort.

Leben, Essen, Schlafen, Sich Bewegen

Die ersten Herausforderungen in Johannesburg sind praktischer Art. Wo soll ich wohnen, und wie bewege ich mich in einer Stadt, die dem Auto gewidmet ist? Als Auto-Agnostiker keine einfache Aufgabe. Dankenswerterweise hat sich Johannesburg, inspiriert von Bogotá, ein passables neues „rapid bus“ System zugelegt. Dieses reicht zwar (noch) nicht in die „guten“ Stadtteile im Norden, mit ihren Luxuswohnungen und Elektrozäunen, aber deckt das Stadtzentrum ganz gut ab.

Vor wenigen Jahren noch eine „no-go“ Area, hat sich dieses Stadtzentrum gemausert. Nach meinem Zwischenbehausung, dem Mapungubwe, habe ich jetzt ein Zuhause im Main Street Life gefunden – ein Hotel/Apartment-Komplex, der sich an das Kunstareal „Arts on Main“ anschmiegt. Mit einem Kunstfilm-Kino, Boutique und einem hübschen Restaurant im Innenhof steht dieses halb-fertige Hotel in einem alten Industriegebäude für den Experimentierdrang in der Stadt – Neues im Alten, das Schöne im Wüsten, ein Stück Ordnung im Chaos, ein Stück Chaos in der Ordnung.

Kunst! Kunst!! Kunst!!!

Was auffällt: Die Kunst spielt in Johannesburg tatsächlich eine Pionierrolle. Ob im Arts on Main, in der Johannesburg Art Gallery (JAG), oder in kleineren Gallerien wie dem „afronova“ – Kunst bringt eine neue Klientel in der Stadt. Für mich anziehend: Photographie spielt eine prominente Rolle, von den Teilnehmern im Market Photo Workshop, über Aufsteiger und junge Talente wie Musa Nxumalo (zu sehen im afronova) bis hin zu Granden wie Ernest Cole (im JAG).

Eine ähnliche Rolle wie die Kunst spielt die Mode: Der wuselige „Fashion District“ folgt den ökonomischen Regeln der Innenstädte in Entwicklungsländern: Bei Tag liefern „wholesale“-Händler Billigware an Strassenhändler und Kleingeschäfte, um sich abends in einen Rotlichtbezirk zu verwandeln, in dem sich Polizei, Prostituierte und Freier ein undurchschaubares Verfolgungsspiel liefern. Doch auch hier ist Bewegung: Findige Investoren haben ganze Blocks aufgekauft, um sie in Mode-Schulen, Verkaufsräume etc. zu verwandeln.

Der Hub Johannesburg

Und nun zu einer persönlichen Leidenschaft – dem Hub Johannesburg. Direkt neben dem Fashion District baut ein Team, rund um das Multi-Talent Lesley, in einer alten Textilfabrik ein Labor für soziale Innovationen auf – von denen es in Johannesburg mindestens so viele wie soziale Probleme gibt. Mit einem kleinen aber feinen Architektur-Büro, das der Innenstadt auch an anderen Stellen seinen Stempel aufgedrückt hat, könnte vom Hub Johannesburg tatsächlich ein neuer Impuls für die arg gebeutelte Innenstadt ausgehen.

Kunst, Kommerz, und wo bleibt der Rest?

Die Innenstadt von Johannesburg ist ein Labor – gesellschaftliche Prozesse spielen sich hier schneller und härter ab, als im Rest der Welt. Die urbanen Pioniere die ihn erobern sind weltgewandt, klug, dynamisch, und extrem gut vernetzt – steht die Innenstadt vor einem grossen Revival? Hat das urbane Leben eine Chance? Und haben die bisherigen Einwohner eine Chance gegen die neuen Luxusapartments?

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