Vielen Dank, Herr Spekulant?

Der gute alte Spekulant? Das Parkett der New Yorker Börse 1939

Hilft der gute alte Spekulant? Das Parkett der New Yorker Börse im Jahr 1939 (Foto: Gottscho-Schleisner, 1939)

Spekulanten lieben das Risiko, andere Menschen fürchten es. Und obwohl Spekulanten  eine Ursache für die Finanzkrise, können sie mit ihren Instrumenten, zum Beispiel Devisenderivaten, Armut bekämpfen. Wie? Indem sie den Kapitalismus an Orten ermöglichen, wo er bisher an zu hohen Risiken gescheitert ist.

Die Presse und die geneigte Öffentlichkeit haben sich auf ein alt-neues Feindbild eingeschossen: Den Spekulanten und seine undurchsichtigen Finanzinstrumente. Vor allem Rohstoffzertifikate werden für Tod und Elend verantwortlich gemacht, aber auch Spekulationen auf Währungen oder Aktien haben keinen besseren Ruf. Die Armen würden unter ihnen leiden – weil sie die Preise für Nahrungsmittel hochtreiben, weil sie (arme) Volkswirtschaften in den Ruin treiben, weil sie sich auf Kosten anderer Menschen bereichern.

Es gibt Risiko.

Wer sich mit Menschen unterhält die an der Schnittstelle von Finanzbranche und Armutsbekämpfung arbeiten (zum Beispiel bei responsability in Zürich) bekommt eventuell ein differenzierteres Bild.

Firmen wie responsability sammeln Geld am Kapitalmarkt und verleihen es an Mikrofinanzorganisationen, die es an ihre (armen) Kreditnehmer verleihen – es geht mittlerweile um mehrere hundert Millionen Euro. Ein Problem hierbei sind Währungsschwankungen. Während die Anleger bei responsability in Euro, Dollar oder Franken anlegen, bekommen die Mikrofinanznehmer das Geld in der Landeswährung (zum Beispiel dem Communaute Financiere Africaine Franc – XOF). Wenn diese Landeswährung plötzlich an Wert verliert, verlieren die ausstehenden Kredite an Wert.

Wer soll die Verluste tragen? Die Kreditnehmer mit Sicherheit nicht, Armen ein solches Risiko aufzubürden wirderspräche der Idee von Mikrofinanz komplett. Es die Mikrofinanzorganisation (so bei kiva) tragen zu lassen ist ebenfalls problematisch, da diese oft klein und mit wenig eigenem Kapital ausgestattet sind. Und wenn es von responsability oder den Anlegern getragen werden muss wird es schwer, die benötigten Summen einzusammeln.

Wer auch immer das Risiko trägt: Aus einem eigentlich sinnvollen, realwirtschaftlich fundierten Finanzierungsgeschäft ist eine hoch-risikoreiche Anlage geworden.

Spekulanten als Helfer?

Können Finanzinstrumente hier helfen? Ja – über sogenannte Devisenderivate kann das Geschäft abgesichert werden. Ein „Dritter“ verspricht, zum Rückzahlungszeitraum die Landeswährung zu einem vorher festgelegten Umtauschkurs zu wechseln (auf Finanzdeutsch: sie ‚hedgen‘) . Damit müssen weder der Anleger, noch responsability noch die Mikrofinanzorganisation sich um das  Währungsrisiko kümmern, sondern können sich auf das konzentrieren, was sie wirklich wollen: Mikrokredite ermöglichen und damit Armut bekämpfen (und Geld verdienen).

Wer ist dieser Dritte? Um solche Geschäfte ohne grosse Suchkosten abwickeln zu können, braucht es einen Markt für Devisenzertifikate, und genug Menschen die auf diesem Markt investieren damit Investoren für ihre Geschäfte einen Gegenpart finden. Voilà – die Spekulanten!

Ein Problem bisher: Devisenzertifikate gibt es nicht für alle Währungen, und vor allem für die Währungen armer Ländern gibt es sie oft nicht. Und dies ist, laut responsability, ein Grund, warum es so schwierig ist Mikrofinanzorganisationen in Afrika zu finanzieren.

Und wer versucht es zu lösen?

Finanzinstitutionen haben das Problem erkannt und sich zusammengeschlossen um Lösungen zu entwickeln. Der „currency-hedging microfinance fund“ Microfix ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der französischen Grossbank BNP Paribas mit PlanetFinance und FNO, der holländischen Entwicklungsagentur, um die oben beschrieben Probleme mit Hilfe von Finanzinstrumenten zu lösen. Und Oikocredit versucht, Geld direkt vor Ort in der Landeswährung einzusammeln, was das Problem (im Erfolgsfall) auch lösen würde.

Und wenn es wieder schief geht?

Sind Spekulanten auf einmal doch gut? Die Frage ist, was auf der anderen Seite der Spekulation steht. Wenn es ein „echtes“ Geschäft mit realwirtschaftler Basis ist, kann auch der Spekulant auf Dauer überleben und redliche Gewinne machen, so ein System muss nicht zusammen brechen. Erst wenn sich die Spekulation komplett von wirklichen Vorgängen abkoppelt gerät das System aus den Fugen – wo keine produktiven Investitionen getätigt werden können Spekulanten auch nichts absichern.

Die Krise als Chance?

Ja, die Krise ist eine Chance: Schon zu fragen wozu wir (als Gesellschaft!) Spekulanten brauchen, und wie eine sinnvolle Spekulation aussehen kann, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dann kann Spekulation auf Dauer allen helfen – den Anlegern, den Armen, und den Spekulanten.

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