Mikrofinanz in Zeiten der Krise?

Die Finanzwelt ist in der Krise – die bankrotten Investmentbanken ziehen die reale Wirtschaft mit in den Abgrund. Deutlicher kann man die Wichtigkeit des Finanzsystems für die reale Wirtschaft nicht veranschaulichen. Diese Wichtigkeit ist auch die Grundidee von Mikrofinanz: Arme brauchen Kredite, um sich wirtschaftlich und sozial weiterzuentwickeln. Und sie können Kredite bekommen, wenn man es richtig macht.  Mikrofinanzinstitute kennen ihre Kunden, haben langfristige Beziehungen zu Ihnen, und schaffen mit Selbsthilfegruppen und sozialer Einbettung in den lokalen Kontext hohe Rückzahlungsquoten.

Geht die Finanzkrise deswegen an der Mikrofinanzwelt vorbei? Nicht ganz, sagte zumindest Heinrich Wiemer, Aktienanalyst in Zürich und Mitglied im Vorstand von Oikocredit International, auf einem Event von oikos St.Gallen. Die Rückzahlungsquoten ändern sich zwar, zumindest in absehbarer Zeit, nicht. Die Mikrofinanznehmer sind oft einfach weit weg vom gegenwärtigen wirtschaftlichen Abschwung.

Unsicherheit kommt aber durch die Finanzierung rein. Die Finanzierung von Mikrofinanzinstitutionen ist in den letzten Jahren zu einem grossen Geschäft geworden.  Pfiffige Fondsgesellschaften sammelten enorme Beträge bei vermögenden Privatkunden und Pensionskassen ein. Dies war gut in Zeichen des Booms: Die Mikrofinanzorganisationen konnten mit dem Geld vielen Kreditgebern helfen. Teilweise gab es sogar mehr Geld als die Kreditnehmer aufnehmen konnten. Doch das Modell rächt sich jetzt: Kredite werden teurer, auch für Mikrofinanz? In der Panik der Finanzkrise könnten Geldgeber aus Europa ihre Mittel abziehen – und damit die Mikrofinanzorganisationen in Entwicklungsländern in Schwierigkeiten bringen.

Oikocredit International ist einen anderen Weg gegangen: An der sehr basisdemokratischen Genossenschaft ist das Geschäft mit den grossen Geldern zwar vorbeigegangen, dafür ziehen die „treuen Genossen“ jetzt in der Krise ihr Geld nicht ab.

Hochfinanz oder Genossenschaften? Woher soll das Geld für die Armen kommen? Vor zwei Monaten hätte ich noch auf die Hochfinanz gesetzt – verführerisch sind die grossen Summen, und die Millionen Menschen die von ihnen profitieren. Laut Heinrich Wiemer zeigt sich jedoch erst in Zeiten der Krise, wer wirklich zu den Armen hält.

(achso, oikos St.Gallen und Oikokredit sind weder verwandt noch verschwägert…)

3 Antworten zu “Mikrofinanz in Zeiten der Krise?

  1. Ja, offenbar ist langfristige Ausrichtung verbunden mit Vertrauen doch der gangbarere Weg.
    Viel erfolg bei eurem Blog! Bin schon gespannt auf weitere spannende Überlegungen.
    Katha

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